
Innovator:innen setzen zunehmend auf Large Language Modelle (LLMs) wie ChatGPT, Google Bard, Microsoft Bing oder Meta’s LLaMa, um Aufgaben wie Nutzer- und Problemforschung, Ideengenerierung, Problemlösung bis hin zur Validierung von Geschäftsmodellen zu beschleunigen. Diese Tools bieten grosses Potenzial, können jedoch mehr Schaden als Nutzen anrichten, wenn sie als absolute Wahrheit betrachtet werden. Ich bin ein grosser Fan dieser Werkzeuge und nutze sie regelmässig, um neue Anwendungen in der Innovation zu erkunden. Doch wahre Innovation erfordert das Eintauchen ins Unbekannte, das Verstehen von Kundenbedürfnissen und die Validierung von Annahmen durch reale Interaktionen. Kurzum: Kausalitäten und nicht Korrelationen.
Betrachte Innovation, als wärst du ein Wissenschaftler, der das Unbekannte erforscht. LLMs, die auf Basis vergangener Daten trainiert wurden, können die Erkenntnisse aus direkten Erfahrungen mit Menschen nicht ersetzen. Sie bringen dich nicht dorthin, wo echte Innovation stattfindet: ins Feld, und nicht nur hinter die Tastatur.
KI kann den kreativen Prozess unterstützen, aber sie kann den menschlichen Faktor, der für bahnbrechende Innovationen erforderlich ist, nicht ersetzen.
Der Kern der Innovation: Fragen stellen, um Kausalität zu finden
Innovation beginnt mit den richtigen Fragen: Was hält Menschen nachts wach oder bereitet ihnen Sorgen? Warum ist das relevant? Was sagen User, dass sie wollen, und was brauchen sie wirklich? Was ist die wahre Ursache dahinter? Warum ist es ihnen wichtig? Was würde ihr Leben wirklich verbessern?
KI kann eine Vielzahl von Annahmen generieren, aber sie weiss nicht, wie man diese Fragen stellt – oder an wen. Und selbst wenn man einen Pain Point entdeckt, kann KI nicht dabei helfen, diesen einfühlsam und tiefgehend zu analysieren. Das ist die Aufgabe eines Innovators.
Noch entscheidender ist, dass Innovation auf drei Säulen basiert:
Desirability – Wollen Menschen das überhaupt?
Viability – Kann daraus ein nachhaltiges Geschäft entstehen?
Feasibility – Können wir das tatsächlich umsetzen?
Kann ein Algorithmus, der auf historischen Mustern basiert, diese Dimensionen wirklich validieren? Nein. Denn das Verständnis von Desirability, Viability und Feasibility erfordert mehr als nur Datenanalysen und Wahrscheinlichkeitsberechnungen – es braucht Kontext, Urteilsvermögen und Empathie. Diese Fähigkeiten sind (zumindest bis heute) einzigartig menschlich und nicht automatisierbar.
Die Gefahr der Automatisierung: "Gut genug" ist nicht Innovation
Hier liegt die Gefahr von LLMs: Sie sind schnell und meistens „gut genug“. Das Ziel ist jedoch nicht, sich mit Mittelmässigkeit zufrieden zu geben, sondern über das Offensichtliche hinauszugehen. Um wirklich zu innovieren, braucht es eine grössere Vielfalt an Ideen und den Mut, die sogenannten „offensichtlichen Antworten“ dieser Modelle herauszufordern, indem man nach dem „nicht Offensichtlichen“ sucht, um eine breitere Palette von Abweichungen von mittelmässigen Antworten zu erhalten und neue Ideen zu entdecken – eine Vielfalt, die sich natürlich ergibt, wenn man mit Menschen ausserhalb der eigenen Domäne co-innoviert. Genau hier sind diese Tools sehr gut geeignet, das eigene Denken und den Industrie-Bias durch gezielte Perspektivenwechsel zu verlassen. „Gut genug“ ist keine Innovation; es ist nur das Offensichtliche – und genau das tut auch die Konkurrenz.
Diese Überabhängigkeit von Automatisierung führt zu dem, was ich Automatisierungs-Trägheit nenne. Wenn wir dem Tool vertrauen, anstatt Annahmen zu hinterfragen, hören wir auf, nach schwer zu findenden Einsichten zu suchen – den unbefriedigten Bedürfnissen und verborgenen Pain Points, die echte Innovation antreiben.
Die Antworten, die LLMs liefern, basieren auf historischen Daten. Sie sind hervorragend darin, Korrelationen zu erkennen. Aber was ist mit Kausalität? Was ist mit dem Verständnis, warum Kunden sich so verhalten, wie sie es tun? KI kann das nicht beantworten. Sie kann nicht vorhersagen, wie Menschen auf etwas wirklich Neues reagieren werden. Und sie kann erst recht nicht den iterativen Prozess replizieren, Hypothesen zu bilden, sie zu testen und aus Fehlern zu lernen – den Prozess, der echte Innovation ausmacht.
Automatisierungs-Bias: Verlust des menschlichen Vorteils
Dann gibt es noch den Automatisierungs-Bias – die Tendenz, automatisierten Systemen zu viel Vertrauen zu schenken. Es ist verlockend, die KI für sich denken zu lassen. Doch wenn das passiert, riskierst du, das zu verlieren, was Innovation wirklich möglich macht: menschliche Intuition und Kreativität.
Innovation ist keine Tabellenkalkulationsübung. Sie ist chaotisch, emotional und tief in Empathie verwurzelt. Kunden kaufen keine Produkte – sie kaufen Lösungen für ihre ungelösten Probleme. Doch oft können sie nicht genau artikulieren, was sie brauchen oder warum sie es wollen. Manchmal geben sie sogar bewusst irreführende Hinweise – sei es, um einen Mangel an Wissen, Budget, Autorität oder anderen Einschränkungen zu kaschieren. Das kann dich auf eine Reise voller falscher Annahmen schicken.
Wenn du nicht in ihren Schuhen läufst, wirklich ihren Frustrationen zuhörst und beobachtest, wie sie mit ihrer Umgebung interagieren, wirst du das Wesentliche verpassen. KI kann keine Empathie empfinden. Sie kann das Bauchgefühl und das tiefgreifende Verständnis, das aus direkten Gesprächen mit echten Menschen entsteht, nicht ersetzen.
Keine Hypothesen, kein Testen, kein Lernen
Innovation basiert im Kern auf Lernen. Du stellst Hypothesen auf, testest sie und nutzt die Ergebnisse, um zu iterieren. Ohne Hypothesen und Validierungsschleifen gibt es kein Feedback. Und ohne Feedback gibt es keinen Fortschritt. Und ohne einen Prozess wird niemand dein Vorhaben finanzieren.
Hier ist der Haken: KI lernt nicht wie Menschen. Sie passt sich nicht an Misserfolge an oder rahmt das Problem neu, wenn etwas nicht funktioniert. Das ist deine Aufgabe. Wenn du zu sehr auf Automatisierung setzt, riskierst du, die Fähigkeit zu verlieren, dies effektiv zu tun.
Die stärksten unternehmerischen Innovatoren und Gründer sind diejenigen, die schnell lernen und sich noch schneller anpassen.
Kreativität ist kein Algorithmus
LLMs sind hervorragend darin, sich wiederholende Aufgaben zu optimieren. Doch Innovation ist nicht wiederholend. Sie ist eine Kombination aus explizitem Wissen (Dinge, die wir lernen können) und implizitem Wissen (Dinge, die wir durch Handeln lernen). Maschinen können den ersten Teil bewältigen, aber beim zweiten versagen sie. Jegliche Änderungen am Modell erfordern ein erneutes Training oder eine Feinabstimmung mit zusätzlichen Daten. Menschen hingegen tun dies durch aktive Reflexion und Anpassung: Wenn Menschen experimentieren, sammeln sie nicht nur Daten – sie reflektieren aktiv über die Ergebnisse, stellen das Problem sogar neu dar und passen ihren Ansatz an.
Die kreativsten Durchbrüche kommen jedoch nicht aus Daten – sie entstehen durch Zufälle. Durch Tüfteln, Experimentieren und Scheitern. Wenn du diesen chaotischen, iterativen Prozess überspringst, innovierst du nicht; du recycelst nur das, was bereits existiert. Und jeder, der Zugang zu dieser Technologie hat, tut dasselbe – also jeder auf diesem Planeten.
Fazit: Large Language Modelle sind mächtige Tools, aber keine Ersatzlösungen
Lass uns klarstellen: Werkzeuge wie ChatGPT sind wertvoll. Sie sind schnell, effizient und grossartig, um Ideen zu generieren oder schnelle Antworten zu finden. Aber sie sind nur Werkzeuge. Sie können die harte Arbeit, sich mit Usern auseinanderzusetzen, Experimente durchzuführen und sich in der realen Welt die Hände schmutzig zu machen, nicht ersetzen.
Bei der Innovation geht es nicht um Bequemlichkeit. Es geht um Widerstandsfähigkeit. Es geht darum, Unsicherheit zu begegnen, Misserfolge zu akzeptieren und neugierig zu bleiben. Das kannst du nicht an eine Maschine auslagern.
Nutze LLMs also für das, was sie sind – eine Ressource, um Zeit zu sparen und Einsichten zu generieren. Aber denk daran: Die echten Durchbrüche kommen, wenn du aus dem Gebäude trittst, mit deinen Usern sprichst und deine Ideen in der Praxis testest. Da passiert Innovation.
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